Neujahrsgruß 2020

nach Harmoniestudien zu Vertikale Struktur
MIDI-Aufführung mit Samples von verschiedenen Orgeln
Kai Yves Linden (2020/21)

(Dauer: etwa 2 Minuten)

Diesen Neujahrsgruß habe ich um die Jahreswende 2020 voller Hoffnung auf ein spannendes Jahr geschrieben. Damals ahnte ich nicht, dass es als Jahr der Pandemie in die Geschichte eingehen würde. Ein Jahr später habe ich eine Fassung in Zwölfteltontemperatur geschrieben. Dabei wird ein temperierter Ganzton in zwölf gleiche Teile geteilt, die Oktave also in 72. Mit dieser Skala ist gleichwohl auch nur eine Annäherung an die ganzzahligen, sogenannten natürlichen Proportionen möglich, welche die theoretische Grundlage dieser Harmoniestudien sind (2:3, 3:4, 4:5 usw.), doch ist sie dem Ideal sehr viel ähnlicher als die Version mit nur zwölf Tasten pro Oktave. Die aufeinandergestapelten Intervalle bilden verschachtelte Akkorde, die permutierte, dilatierte, multiplikative, sowie reduzierte Varianten des berühmten Farbenakkords von Schönberg sind. In den Teilen des Stückes, in denen die einfachen Proportionen als Teiltonschichtungen auf einem Grundton (bis zum 27. Teilton) erscheinen, erweist sich die Näherung als im Großen und Ganzen nicht so schlecht: Der Unterschied zwischen Zusammenklang (Akkord) und aus Teiltönen bestehendem Einzelton wird uneindeutiger, obwohl der durchschnittliche Fehler bei ungeradzahligen Vielfachen durchschnittlich ±4 Cent und maximal 7 Cent beträgt (im Vergleich zu durchschnittlich ±18 Cent und maximal 49 Cent bei der üblichen Zwölftontemperatur). Den wunderbaren Hall für die virtuelle Orgel, die eine Allusion einer utopischen Mikrotonorgel ist, liefert eine Faltung mit der Impulsantwort des Münsters von York.